Nächstenliebe- für das Magazin Vita – einfach leben
Vor einigen Jahren hatte ich eine Putzhilfe. Sie kam aus Polen und ihr Name war Carmen. Da sie meist über Mittag bei uns arbeitete, lud ich sie immer auch ein, gemeinsam mit uns zu essen.
Carmen war darüber zunächst sehr verblüfft, und dann außer sich vor Freude. Ihre Augen strahlten. Sie erzählte mir, so etwas sei ihr in Deutschland noch nie passiert, und damals war sie schon viele Jahre hier. Es sei auch meist nicht üblich, dass sie sich neben der Arbeit auch einmal ganz normal mit ihren Arbeitgebern unterhalten könne. Ganz im Gegenteil, viele ihrer Kunden schimpften sogar, wenn Carmen mal eine Zigarettenpause einlegte.
Ich erzählte ihr dann, dass meiner Meinung nach eine Arbeit viel besser ausgeführt wird, wenn ein gutes Verhältnis zwischen Kunde und Dienstleister besteht. Darum sagte ich Carmen, mir sei wirklich viel daran gelegen, dass sie gern in mein Haus zum Putzen kommt, und auch gern die nötige Arbeit hier bei mir tut. Ihre Freude an der Arbeit kommt ja auch mir zu Gute.
Ich könnte sagen, ich habe Carmen aus Nächstenliebe gut behandelt. Das trifft aber für mich gar nicht wirklich auf den Punkt. Mir ist es schon damals wichtig gewesen, Menschen, mit denen ich zusammenarbeite, meine Wertschätzung entgegen zu bringen. Ich arbeite mit Verlagen, Organisatoren oder Magazinen zusammen, wo einfach die Chemie stimmt. Und das schließt jeden Menschen, mit dem ich zu tun habe, mit ein. Putzhilfe inbegriffen.
Dem Menschen, der etwas für mich tut, dem bringe ich meine Wertschätzung entgegen. Und das ist für mich ausdrücklich nicht mit dem Begriff Geld verbunden. Ich bin zu meiner Putzhilfe genauso freundlich wie zu meinem Verlag.
Nächstenliebe lässt sich für mich darum am besten mit dem Begriff Wertschätzung verbinden. Ich gebe dem anderen Wert. Und der Mensch, den ich in dieser Weise wertschätze, wird auch mich in besonderer Weise unterstützen wollen. Denn es ist wohl eine Art Lebensprinzip, dass ich alles, was ich von einem Menschen bekomme, ihm auch nur allzu gern zurückgeben möchte. Wenn jemand mich glücklich macht, dann möchte ich auch, dass er glücklich ist.
Am Beispiel von Carmen zeigte sich dies zunächst einmal darin, dass sie ihre Arbeit immer gut und tüchtig vollbrachte. Einmal aber hat sie mir dann wirklich aus einer kleinen Schwierigkeit geholfen. Wir hatten damals zwei Zwerghasen, und meine Kinder hatten nach anfänglicher Begeisterung nur noch wenig Interesse an ihnen. An mir als Papa blieben dann alle anfallenden Arbeiten kleben, die Hasen zu füttern, den Stall zu säubern und so weiter. Ich versuchte dann vor Ostern, den Hasen mit Hilfe einer Anzeige einen neuen Besitzer zu besorgen, leider ohne Erfolg. Als ich dann die Flinte bereits ins Korn geworfen hatte, erzählte ich Carmen von meinem Problem, und sie meinte freudestrahlend, ihre Tochter würde nur zu gern Hasen haben. Ob ich sie ihnen wohl geben könnte?
Ich war selig, und transportierte dann bald darauf beide Hasen samt Stall und Gehege zu Carmen. Beide waren wir glücklich, denn auf diese Weise konnten wir uns beiden etwas Gutes tun.
Ganz allgemein möchte ich zur Nächstenliebe anmerken, dass nur ein Mensch lieben kann, wenn er sich selbst liebt oder wertschätzt. Denn wo soll denn die Liebe oder Anerkennung herkommen, wenn nicht aus ihm selbst? Nächstenliebe und Wertschätzung entspringen allein der Liebe aus uns selbst. Sie bedingen einander. Nur, wenn ich mich selbst liebe, dann bin ich in der Lage, auch meinen Nächsten zu lieben. Und meine Nächstenliebe für den Mitmenschen ist nur ein Spiegel für meine wachsende Liebe zu mir selbst. Vielleicht ist darin auch der tiefere Sinn des bekannten Bibelspruches „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ enthalten.
Kaum jemand hat diese Tatsache so treffend beschrieben wie Clemens von Brentano:
Die Liebe allein versteht das Geheimnis, andere zu beschenken und dabei selbst reich zu werden.
Du und ich, wir sind nicht getrennt. Dies ist eine Erfahrung, die ich in den letzten Jahren immer häufiger machen durfte. Was ich dem anderen schenke, ich erhalte es zurück. Vielleicht nicht von derselben Person, aber dann eben von jemand anderem. Das Universum ist ja bekanntlich unendlich kreativ.
Die Liebe, die ich gebe, wird mir selbst zuteil. Und oft entstehen Probleme in meinem Leben erst dann, wenn ich dieses Prinzip einmal vergesse. Oft fehlt es bei Schwierigkeiten einfach an Liebe. Meiner Meinung nach ist es sogar äußerst hilfreich und heilsam, mein Problem zu lieben.
So ist Liebe für mich zum Königsweg geworden, wenn ich in meinem Leben auf Probleme mit anderen Menschen stoße. Ich erkenne, auch an diesem Problem habe ich einen Anteil. Ich kann diesen Anteil lieben, und damit das Problem auflösen. Dies ist der Kernsatz des hawaiianischen Hooponopono und besonders vom „Hoppen“, einer Vergebungstechnik, für die ich in den letzten Jahren Wegbereiter im deutschsprachigen Raum werden durfte. Mit seiner Hilfe gebe ich Liebe in mein Problem, und kann so wunderbarerweise Frieden zu anderen Menschen schaffen.
Manfred Mohr ist Schriftsteller und Seminarleiter. Sein bekanntestes Buch, „Das Wunder der Selbstliebe“, machte ihn auch einem größeren Publikum bekannt. Heute sind weit mehr als eine Viertelmillion Bücher von ihm auf dem Markt. Er war mit der Bestsellerautorin Bärbel Mohr verheiratet und führt ihr geistiges Erbe weiter. Eben erschienen ist sein neues Buch „In 30 Tagen Hoppen lernen“.