Fühle mit dem Herzen
Artikel für das Engelmagazin 6/2012
Wie fühlt es sich für dich an?
Bald schon wird es sich erweisen, wie es mit uns allen und unserem Planeten zum Ende des Maya-Kalenders weitergehen wird. Noch ein paar Wochen, und es ist soweit. Wir werden es erleben. Um genauer zu sein, wir werden es spüren.
Für mich steht fest, es wird keinen jähen Wechsel geben. Sondern wir alle befinden uns bereits seit dem Jahrtausendwechsel in einer stetigen, kaum spürbaren Veränderung begriffen. Es geschieht geduldig und langsam, so wie der stete Tropfen den Stein aushöhlt. Und es geschieht sehr still, und doch voller Kraft. So wie Buddha sagt: Die Stille ist das lauteste der Worte. Um diese Worte zu spüren, braucht es die Stille. In unserem lauten und hektischen Alltag ist dies unmöglich. Wir hören diese Worte, wenn wir langsam werden. Wir hören diese Worte, wenn wir still sind. Wir können diese Worte hören, wenn wir beginnen, sie zu fühlen.
Jeder Vorgang in der Natur ist langsam. Die Jahreszeiten wechseln in einem fließenden Kommen und Gehen. Der Tag beginnt, ohne dass wir sagen könnten, wann die Nacht endet.
Alles in der Natur ist ein Kreislauf. Darum erwarte ich keinen abrupten Wechsel. Unser Leben wird scheinbar ganz normal weitergehen, das ist für mich ohne Zweifel. Die Veränderung, die stattfindet, geschieht unsichtbar, in unserem Inneren. Langsam, kaum spürbar, in jedem von uns. Wir beginnen, zu fühlen.
Vielleicht befinden wir uns bereits mitten im neuen Gefühlszeitalter, ohne es wirklich bemerkt zu haben. Aber die Anhaltspunkte dafür sind zahlreich und werden unübersehbar. Plötzlich, seit etwa 10 Jahren, gibt es im Wetterbericht eine „gefühlte“ Temperatur. Denn wir empfinden subjektiv die Temperatur als wärmer oder kälter, je nach Windstärke oder Luftfeuchtigkeit. Während man früher auf einen hohen Intelligenzquotienten (IQ) stolz sein durfte, wird zunehmend auch der Quotient der emotionalen Intelligenz (EQ) wichtiger. Bis vor etwa 10 Jahren wurden Geschäftsbriefe üblicherweise „mit freundlichen Grüßen“ unterschrieben, heutzutage finden sich stattdessen immer öfter auch „herzliche Grüße“ darunter. Alles deutet darauf hin: Wir befinden uns momentan in einem Wechsel weg vom analytischen Verstehen hin zum emotionalen Begreifen.
Das krasseste Beispiel für diese Entwicklung lieferte mir vor ein paar Jahren mein Freund Kurt. Er räumte seinen Keller auf und fand 20 Jahre alte Motorradzeitschriften. Er blätterte sie durch und erzählte mir erstaunt, wie sehr sich die Werbung seit damals verändert hat. Früher gab es Doppelseiten mit Großaufnahmen des neuen Motorrades und allen technischen Details. Heute findet mal stattdessen eine großformatige Landschaftsaufnahme mit einem winzigen Motorrad klein in der Ecke. Technische Details interessieren niemanden mehr, geworben wird heute stattdessen allein mit der Emotion des Fahrens: Freiheit, Weite, Abenteuer.
Wie hat sich unser Leben also ganz konkret im Zusammenhang mit dem Ende des Maya-Kalenders verändert? Seit dem Jahrtausendwechseln tritt unser Verstand zunehmend in den Hintergrund und schafft dabei Raum für die gefühlsbetonte Seite in uns. Emotionale Gesichtspunkte werden uns wichtiger. Der Sohn einer Freundin von mir steigt plötzlich aus der Karriereleiter aus, um eine Weltreise zu machen. Er stand nach vielen Jahren mit einer 80 Stundenwoche bereits mit 30 vor dem Burnout. Nun will er sich neu orientieren. Immer mehr Männer nehmen sich eine Elternzeit, um mehr bei ihren Kindern sein zu können. Sigmar Gabriel, der SPD Vorsitzende, ist das aktuellste Beispiel. Und durch das Internet und die weltweite Berichterstattung in den Nachrichten beginnen wir, über den Tellerrand unserer Stadt oder unseres Landes zu blicken und verstehen uns immer mehr auch als Weltbürger. Grenzen, in unserem Inneren wie im Außen, fangen an, sich aufzulösen. Wir entwickeln Mitgefühl auch für weit entfernt lebende Menschen auf einem anderen Kontinent. Und- wie sollte es anders sein, gleichzeitig entsteht dabei auch Mitgefühl zu uns selbst.
Auch du bist Teil dieser Entwicklung. Irgendwie, immer ein kleines bisschen mehr, fühlst du auf einmal, wie es dir geht. Du fragst dich immer häufiger: Wie fühlt sich das für mich an? Gut oder schlecht? Und fast schon automatisch folgst du diesem Gespür, dieser inneren Richtschnur. Dein Gefühl beginnt somit, auch dein Handeln zu bestimmen.
Dann suchst du dir neue Freunde und Bekannte, die dir gut tun. Du suchst eine Arbeitsstelle, die dir entspricht. Du bist nach einiger Zeit der Übung auch deines Gefühls so sicher, dass du es anderen Menschen mitteilst. Du stehst mehr für dich ein und sagst Menschen, wenn sie dir wehtun oder wenn du dich ungerecht behandelt fühlst. Auf dieser Art beginnst du, deinen eigenen Weg zu finden und auch zu gehen. Du läufst nicht mehr mit in der Herde. Und wer hilft dir dabei? Du selbst. Indem du dich einfach immer wieder fragst: Wie fühlt sich das für mich an? Dein Gefühl gibt dir immer eine Antwort.
Abraham Lincoln hat in diesem Zusammenhang das wohl schönste Zitat geprägt: „Wenn ich Gutes tue, fühle ich mich gut. Wenn ich schlechtes tue, fühle ich mich schlecht. Das ist meine Religion.“ Offenbar war Herr Lincoln seiner Zeit bereits weit voraus. Er war schon fähig, zu spüren. Vielleicht geht es dir ja auch so wie mir: Wenn ich mich über einen anderen Menschen aufrege, dann spüre ich, es tut mir selbst nicht gut. Also sollte ich doch damit aufhören. Hast du also an der Arbeitsstelle öfter mal Gedanken der Art: „Diese blöde Kollegin soll doch endlich wieder ihre Depression kriegen!“, dann achte auf dich. Solche Gedanken schaden dir nur selbst. Hilfreich ist in dieser Richtung der Ratschlag von Chuck Spezzano: „Glücklichsein ist die beste Vergeltung.“ Wenn dich andere Menschen ärgern wollen, ärgerst du sie am meisten, wenn es dir gelingt, trotzdem glücklich und bei dir zu bleiben.
Denn dies ist die vielleicht schönste Konsequenz des neuen Gefühlszeitalters. Wir beginnen den Ausspruch von Ghandi zu verstehen, wenn nicht gar zu fühlen: „Ich und du, wir sind eins. Ich kann dir nicht wehtun, ohne mich selbst zu verletzen.“ Im Mitgefühl ist es mir unmöglich, den anderen zu hassen. Denn ich spüre, wie dieser Hass zu mir zurückkommt. Mache ich stattdessen andere glücklich, fließt das Glück auch zu mir. „Die Liebe ist das Einzige, das mehr wird, je mehr du sie verschenkst“, sagt folgerichtig Clemens von Brentano. In der Liebe erhalten wir selbst die Liebe zum Geschenk. Wenn ich mich mehr spüre, dann wird mir dieser Zusammenhang zwangsläufig immer mehr bewusst. Und darum ist der Eintritt in das neue Gefühlszeitalter eng damit verknüpft, dass wir alle, scheinbar unbemerkt, auch immer mehr in die Liebe finden. Na, dann soll der Maya-Kalender doch endlich enden, findest du nicht?
Mein erstes gemeinsames Buch mit Bärbel, „Fühle mit dem Herzen und du wirst deinem Leben begegnen“, ist nun im Koha Verlag als Taschenbuch erschienen. Es enthält viel Wissenswertes über den Zusammenhang von Gedanken und Gefühlen und wie wir sie auch zum Bestellen einsetzen können. Denn mit dem Bestellen ist es wie beim Autofahren. Meine Gedanken sind das Steuerrad und geben die Richtung vor, in die ich fahren möchte. Die Kraft aber, um an meinem Ziel auch anzukommen, kommt aus meinen Gefühlen. Sie sind der Motor, um mein Gewünschtes auch erreichen zu können. Und das Gefühl mit der größten Kraft zur Verwirklichung ist nun mal die Liebe.
Manfred Mohr