Tom Kenyon: Krebsartige Energien auf der emotionalen Ebene
Erschienen 2003 in "soundings" www.tomkenyon.com
Copyright 2003
Tom Kenyon: Krebsartige Energien auf der emotionalen Ebene
von Tom Kenyon, USA ( Musiker, Gehirnforscher, Autor, Therapeut )
duerfen Kopien angefertigt werden, wenn am Text nichts geaendert, hinzugefuegt oder weggelassen wird.
Mit freundlicher Genehmigung von Tom Kenyon und seinem deutschen Verlag (Koha-Verlag) auch hier im Online-Magazin
Das Konzept erschien mir das erste Mal vor einigen Jahren waehrend eines
Trainings in Anchorage, Alaska. Ich lehrte dort, wie man Klang benuetzen
koennte um mit dem Ziel der psychologischen Heilung Gefuehle freizusetzen.
Eine Teilnehmerin, nennen wir sie Rose, meldete sich freiwillig fuer die
Sitzung, in der ich diese Technik vorfuehren wollte. Als Teil der Demonstration
bat ich sie, sich auf einen Koerperteil zu konzentrieren, der sich nicht
gut anfuehlte. Dahinter steckt die Idee, dass Emotionen oft in bestimmten
Teilen unseres Koerpers zu wohnen scheinen.
Sie sagte, dass ihre Nieren sich wund und schmerzvoll anfuehlten. Dann
erzaehlte Rose freiwillig, dass sie gerade erst aus der Klinik entlassen
worden war, wo sie wegen Nierenversagens in Behandlung war. Es war eine
sehr beaengstigende Nervenprobe fuer sie, wie man sich wohl vorstellen
kann. Sie war nun auf Dialyse angewiesen und ihr Name stand auf der Warteliste
fuer eine Nierentransplantation.
Ich leitete sie dazu an, wie sie ihre Aufmerksamkeit in ihre Nieren bringen
und mit dem Ausatmen Toene kommen lassen konnte. Ich bat sie, sich vorzustellen,
dass diese Toene tatsaechlich von ihren Nieren herkaemen, und ich bat
sie, ihren eigenen Klaengen zuzuhoeren, waehrend sie sich tiefer in das
Ausatmen hinein entspannte.
So verrueckt, wie es klingen mag, ist es doch recht einfach zu tun, und
bald klagte sie leise. Dann veraenderten sich die Toene. Zunaechst aehnelten
sie dem Schreien eines Saeuglings oder Kleinkindes, aber dann wurden sie
zu den verzweifelten Schreien eines Kindes in hoechster Qual. Alle, die
sich im Raum befanden, waren ergriffen von der Intensitaet des Augenblickes,
als wir diese erwachsene Frau in ihren Vierzigern beobachteten, wie sie
wie ein verstoertes kleines Maedchen schrie.
Schliesslich wurden ihre Schreie gedaempfter und wechselten wieder in
leises Klagen ueber. Rose langte hinter sich und beruehrte ihren unteren
Ruecken in der Gegend ihrer Nieren. Sie oeffnete ihre Augen.
Unglaeubig sah sie mich an. "Der Schmerz ist weg", sagte sie,
"die Schmerzen sind weg!!"
Ich bat sie, ihr inneres Erleben waehrend des Prozesses zu beschreiben,
und sie sagte, dass sie in das Alter von ungefaehr zwei Jahren zurueck
gegangen war. Sie sass in einem Hochstuehlchen, das sie aus ihrer Kindheit
kannte. Als ihre Stimme die blockierte Energie in ihren Nieren freisetzte,
wurde ihr Bewusstsein in diese Zeit zurueck katapultiert, zurueck in eine
Erinnerung aus der Kindheit. Zu diesem Zeitpunkt ihres jungen Lebens lebte
ihre Mutter mit einem Freund zusammen. Die Mutter ging zur Arbeit und
der Freund sollte fuer Rose sorgen. Aber offensichtlich aergerte er sich
darueber, dass sie seine Aufmerksamkeit in Anspruch nahm. Anstatt sie
normal zu fuettern, warf er das Essen nach ihr. Das beaengstigte sie sehr,
und es war diese Panik, die sie waehrend der Demonstration wieder durchlebte.
Irgendwie waren die Erinnerung und der stimmliche Ausdruck dieser fruehen
Kindheitserinnerung wohltuend fuer ihre physischen Nieren.
In unserer Diskussion innerhalb der Klasse, die dieser Demonstration folgte,
erwaehnte jemand, dass ihr Bruder an Magenkrebs gestorben war. Das seltsame
daran war, dass sein Vater ihn als Kind schwer misshandelte. Und immer
wenn er betrunken oder wuetend wurde, kickte oder schlug er seinen Sohn
in den Magen und sagte ihm, er waere ein Stueck Scheisse.
Rose's Erlebnis hatte einen "ah-ha" Effekt hervorgerufen, und
die Schwester des toten Bruders sprach unter Traenen. Sie sah, wie der
Zorn ihres Vaters immer wieder in den Unterleib ihres Bruders hinein geschlagen
worden war. Fuer sie erklaerte dies den Krebs und den fruehen Tod ihres
Bruders.
Der Gedanke, dass das Gewebe Emotionen speichert, wurde von dem westlichen
Psychologen Wilhelm Reich vorgestellt. Aber die Idee davon geht wesentlich
weiter zurueck, tatsaechlich bis zu der alten Kunst der Akupunktur. Die
Chinesen kodierten dieses System feinster Energie-Medizin vor tausenden
von Jahren, und eines der Hauptkonzepte handelt von Emotionen. Nach der
Lehre von der Akupunktur tendieren verschiedene Organe dazu, bestimmte
Energietypen festzuhalten. Die Lungen zum Beispiel neigen dazu, Kummer
und Gram festzuhalten, und die Nieren halten Aengste.
Hatte die Kindheitserfahrung dieser Frau dazu gefuehrt, ihre Nierenenergie
(chi genannt) zu schwaechen und sie fuer ein Nierenversagen in ihrem spaeteren
Leben praedestiniert? Oder hatte das eine nichts mit dem anderen zu tun?
Nun, ob es einen direkten Zusammenhang gab oder nicht, es war jedenfalls
interessant, dass das Wiedererleben und Vokalisieren der Angst das Gefuehl
von Schmerz in ihren physischen Nieren reduzierte.
Ich begann, emotionalen Schmerz und seine Verbindung zur Gesundheit in
einem neuen Licht zu sehen. Nun, damals in den fruehen 90ern erkannte
die allopatische Medizin keine direkte Verbindung zwischen Emotionen und
Gesundheit an (und zum groessten Teil tut sie es heute immer noch nicht).
Offen gesagt glaube ich, dass das viel mit dem Thema Geld zu tun hat.
Allopatische Medizin ist mehr und mehr zu einem pharmazeutisch basierten
Unternehmen geworden. Und die grossen Medikamentenhersteller sind nicht
daran interessiert, Forschungsprojekte zu unterstuetzen, die ihnen keinen
Profit einbringen.
Trotz des monolithischen Zugriffs der Medikamentenhersteller auf die Medizin
entwickelt sich ein neuer Forschungszweig. Er wird Psychoneuroimmunologie
genannt, oder wie das Denken die Gesundheit beeinflusst. Damals in den
fruehen 90ern wurde dieser gerade fluegge werdende Zweig der Medizin Psychoimmunologie
genannt. Und ich vermute, es ist ein Zeichen dafuer, dass dieses Gebiet
nun mehr respektiert wird, da sein Name laenger und schwerer auszusprechen
ist. Aber wie auch immer es genannt wird, dieses Feld der Medizin zeigt
einige sehr deutliche Verbindungen zwischen unserem emotionalen Erleben
und unserer Gesundheit auf.
Sowie die Wissenschaften der Neurologie und der Psychologie zusammenkommen,
um dieses frueher noch unerforschte Gebiet der menschlichen Biologie zu
entdecken, treten einige interessante Muster hervor.
Das zeigt sich hoechst deutlich in der Krebskrankheit. Wie Sie vielleicht
wissen, erreicht der Krebs epidemische Ausmasse in industriellen Laendern.
Und es gibt einen wachsenden Forschungszweig, der zeigt, dass vieles davon
mit der angewachsenen giftigen Belastung unserer Nahrung, unseres Wassers
und unserer Luft zu tun hat. Aber zaehlen Sie nicht darauf, dass die Grossen
Macher in Washington oder Ihr Landesvorsitzender viel in dieser Frage
unternehmen wird. Geld scheint alles zu sein, um das es sich in der politischen
Arena dreht, und es scheint momentan keinen grossen Profit darin zu geben,
die Luft und das Wasser zu reinigen.
Ich finde es interessant, dass die gegenwaertigen US Oelkompanien, oh
Verzeihung, ich meine die gegenwaertige US Regierung willkuerlich jahrzehntelang
hart gewonnenen Umweltschutz ueber Nacht aufhebt.
Aber kehren wir zu dem hiesigen Thema zurueck. Ich wollte oben keine politische
Stellungnahme abgeben. Dennoch kann man nicht die Frage der oeffentlichen
Gesundheit von sozialen oder politischen Themen trennen. Trotz ihrer schwachen
Taschenspielertricks koennen unsere politischen Fuehrer nicht die Tatsache
veraendern, dass die oeffentliche Gesundheit und die Qualitaet unserer
Umwelt intimst miteinander verbunden sind.
Aber auch wenn die Qualitaet unserer aeusseren Umwelt schwerwiegende Folgen
fuer unsere Gesundheit hat, moechte ich hier einen anderen Typ von Umwelt
diskutieren.
Man kann diesen Typ nicht sehen, aber man kann ihn fuehlen. Es ist unser
emotionales Umfeld. Und wenn ich als Psychotherapeut auf unsere Gesellschaft
blicke, dann erinnere ich mich an eine Zeile aus dem Musical "The
Music Man" – "There's trouble in River City".
Ich nenne es Krebs auf emotionaler Ebene, und wie Krebs allgemein, kann
er auch hier toedlich sein. Wird er sich selbst ueberlassen, kann er ein
Leben zerstoeren. Zumindest kann er auf psychologischer Ebene ein Wesen
so verkrueppeln, dass er oder sie keine angemessenen Lebensentscheidungen
trifft. In seiner agressiveren Form kann er tatsaechlich zellulaere Lebensformen
zerstoeren und so zu physischer Krankheit fuehren.
Ironischerweise habe ich herausgefunden, dass dieser Typ von emotionalem
Krebs haeufig in spirituellen Gemeinschaften auftritt, egal was ihre philosophischen
und/oder religioeusen Glaubensmuster sind. Dafuer gibt es einen Grund
und ich hoffe, darauf in Kuerze zu sprechen zu kommen. Aber zunaechst
moechte ich einiges an Hintergrundinformation einbringen.
Gefaehrliche Meditationen
Einer meiner Freunde, der in Santa Fe, New Mexico lebt, hoerte vor einigen
Jahren einen Vortrag in einem der oertlichen Biolaeden ueber die Behandlung
von Depression durch Kraeuter und Homoeopathie. Zu dieser Zeit war er
selbst depressiv, aber er war um so erstaunter, so viele Leute als Zuhoerer
zu sehen. Der Raum war gesteckt voll. Und nach seiner Einschaetzung
waren 90% der Anwesenden praktizierende Meditierende, die irgendeiner
spirituellen Tradition folgten. Und von diesen waren die Haelfte praktizierende
Buddhisten!
Nun, ich weiss nicht, wie Sie das sehen, aber aus meiner Sicht ist hier
etwas falsch. Und auch auf die Gefahr hin, hier einige heilige Kuehe
zu schlachten, lassen Sie mich sehr praezise sein mit dem, was ich hier
sagen werde.
Als allererstes: ich meditiere. Genauer gesagt praktiziere ich verschiedene
Meditationsformen seit ueber vierzig Jahren. Und ich bin auch ein Buddhist.
Nun, tatsaechlich bin ich ein neo-paganischer Buddhist und ein Teil-Zeit
Taoist, aber darueber werde ich mich hier nicht auslassen. Es genuegt,
dies zu sagen: ich glaube, dass die grundlegenden Einsichten des Buddhismus
akurate Beschreibungen des Mysteriums sind, das wir Bewusstsein nennen.
Mein Unbehagen gilt also nicht dem Buddhismus oder der Meditation im
allgemeinen, sondern vielmehr der Art und Weise, wie sie ausgeuebt werden.
Wenn sie dazu genutzt werden, um die authentische Natur unseres Gewahrseins
zu durchdringen, dann koennen beide von unschaetzbarem Wert sein. Aber
wenn sie dazu benutzt werden, um emotionale Wahrheiten zu vermeiden,
werden sie selbst-zerstoererisch. Und es interessiert mich ueberhaupt
nicht, wie viele Niederwerfungen praktiziert werden, wie viele Raeucherstaebchen
abgebrannt werden, oder wie lange jemand in Meditation auf seinem Hintern
sitzt – diese Art von Meditation fuehrt nicht zur Erleuchtung.
Ich glaube, der Grund dafuer, dass der Raum so voller Meditation praktizierender
Menschen war, ist, dass diese Leute Meditation als Droge verwendeten.
Sie hatten entdeckt, dass sie meditative Zustaende nutzen konnten, um
emotionalen Schmerz zu vermeiden. Nun, die meisten Meditierenden, die
in diese Falle gehen, sind sich nicht unbedingt darueber bewusst, dass
sie emotionale Schmerzen vermeiden. Sie wissen einfach nur, dass sie
sich mies fuehlen, wenn sie sich keine Zeit zum Meditieren nehmen. Es
ist eine Sache, die inneren Bilder, die die Meditation foerdert, zu
geniessen. Und es ist eine andere, davon abhaengig zu sein, um sich
gut zu fuehlen.
Dieser Typ von quasi-Meditation hat eine beruhigende Wirkund auf den
Geist, die (fuer eine Weile) emotionalen Schmerz daempft oder vermindert.
Das geschieht durch die Veraenderung des Serotonin-Levels im Gehirn.
Mit anderen Worten, man wird high. Das Gehirn ist der Meister-Pharmazeut
schlechthin, der sogar die fortgeschrittensten Drogenkompanien in den
Schatten stellt.
Das Gehirn ist dazu in der Lage, Myriaden von psychoaktiven Substanzen
zu produzieren, und sich selbst in einen "high"-Zustand zu
versetzen ist ziemlich einfach, wenn man einmal entdeckt hat, wie es
geht. Eine grosse Anzahl an Leuten, die meditieren, werden einfach high.
Nun, ich habe nichts dagegen, high zu werden, wie Sie vielleicht denken
werden, besonders wenn man diesen Zustand aus seinem eigenen Nervensystem
heraus erschafft. Aber dieser Zustand durchdringt nicht das Geheimnis
unseres Geistes. Es ist einfach das Schweben in einem selbst-kreierten
Samsara-high.
Fuer die, die mit dem Ausdruck Samsara nicht bekannt sind, er bezieht
sich auf ein Sanskrit-Wort: Samsara, die Welt der Illusion. Das, was
nicht real ist, wird im Buddhismus Samsara genannt. Also was ich mit
dieser Aussage meine, ist, dass das Erlebnis des high-werdens durch
Meditation einen samsarischen oder illusionaeren Zustand von Glueckseeligkeit
bedeutet. Er ist nicht real; er ist selbst-erschaffen.
Nun, hier wird es verflixt. Die Natur des Bewusstseins ist Glueckseeligkeit
(oder annanda in Sanskrit). Aber dieser Zustand von Glueckseeligkeit
ist nicht der gleiche, wie der Opium-aehnliche Zustand, den manche Meditierende
erleben. Die Glueckseeligkeit des Bodhicitta (Buddha-Bewusstseins) hat
eine Qualitaet von gleichzeitigem ausgedeht sein und klarster Praesenz.
Hier gibt es keine Vermeidung von irgendetwas. Alle Aspekte des Selbst
sind anwesend, der emotionale Aspekt eingeschlossen.
In der Vermeidungsmeditation, einem Ausdruck, den ich erfunden habe,
benuetzt man die Opiate der Gehirnchemie, um eine Erfahrung seiner eigenen
emotionalen Schmerzen zu vermeiden. Diese Meditation wird nichts von
echtem Wert einbringen. Sie wird Ihnen nur helfen, eine authentische
Erfahrung Ihres Selbst zu vermeiden.
Es ist natuerlich fuer uns, dass wir Schmerz vermeiden. Alle biologischen
Organismen haben diese ihnen innewohnende Tendenz. Aber wenn wir ein
Gewahrsein unseres emotionalen Schmerzes oder Unbehagens vermeiden,
dann verdunkeln wir das Licht der Selbst-Gewahrseins. Und fuer jeden
auf dem spirituellen Pfad ist das das Anathema.
Die Vermeidungsmeditation ist einfach nur eine Moeglichkeit, emotionales
Gewahrsein zu vermeiden, auch wenn es eine sehr kluge ist. Unter "spirituellen"
Menschen ist eine andere populaere Taktik, um emotionalen Schmerz zu
vermeiden, die, anderen zu helfen.
Anderen helfen, um
Selbst-Gewahrsein zu vermeiden
Ich habe schon gesagt, dass ich einige heilige Kuehe in diesem Artikel
schlachten werde, also lassen Sie mich noch einmal sehr praezise sein
in dem, was ich hier sage. Ich sage nicht, das es falsch oder schlecht
ist, anderen Menschen zu dienen. Tatsaechlich glaube ich, dass dies
wesentlich auf dem spirituellen Pfad ist. Es ist eine Form von goettlicher
Liebe (agape), die sich als menschliche Liebe (filios) ausdrueckt. Gemaess
vielen esoterischen und mystischen Traditionen kann die Quelle aller
Dinge (nennen Sie es Gott, wenn Sie wollen) seine/ihre Liebe zu uns
nur durch die Handlungen unserer Mitmenschen ausdruecken. In dieser
Hinsicht sind wir unentbehrlich fuer das Goettliche. Ohne uns kann es
seine unendliche Liebe nicht ausdruecken.
Aber fuer viele auf dem spirituellen Pfad ist der Dienst an anderen
eine Art, das Bewusstsein seiner eigenen Schmerzen und/oder Beduerfnisse
zu vermeiden. Diese Strategie wird meist unbewusst betrieben ohne oder
mit nur wenig Bewusstsein fuer die dahintersteckenden Leitmotive. Aber
durch das Fokussieren auf die Beduerfnisse anderer Menschen koennen
wir uns sehr einfach selbst verlieren und das Gewahrsein unserer eigenen
nicht-befriedigten Beduerfnisse vermeiden.
Es gibt das Sprichwort, dass ein Gemaelde tausend Worte verdient, also
lassen Sie mich eines fuer Sie malen. Die zentrale Figur war eine machtvolle
Heilerin, die an mich weiterempfohlen wurde durch einige ihrer besorgten
Freunde. Sie war eine weltbekannte Heilerin und es kamen Menschen buchstaeblich
aus der ganzen Welt, um sie zu sehen. Und obwohl sie vielen Menschen
geholfen hatte, war sie selbst krank. Sie erlebte viele unerklaerte
Erschoepfungszustaende, aber medizinische Tests hatten keine physischen
Probleme enthuellt.
Die verwundete Heilerin
Das erste, das mir an ihr auffiel, war ihre Haltung. Sie war ganz offensichtlich
eine machtvolle Frau mit enorm starkem Charakter und mit einem scharfen
Intellekt. Auch war sie frustriert darueber, dass sie sich nicht von
diesem "Ding" kurrieren konnte.
Sie hatte dem Draengen ihrer Freunde, mich aufzusuchen, widerstanden,
aber ein erneuter Zwischenfall hatte sie dazu bewegt, es auszuprobieren.
Zu dieser Zeit litt sie unter einer ihrer vielen Episoden von Erschoepfung
und Muedigkeit. Spaet in der Nacht hatten einige Besucher an ihre Tuer
geklopft. Sie waren aus weiter Ferne gekommen, und einer der Gefaehrten
befand sich im Todeskampf mit einer als unheilbar diagnostizierten Krankheit.
Obwohl sie selbst erschoepft war, arbeitete Lily (nicht ihr richtiger
Name) die ganze Nacht hindurch und noch bis in den naechsten Tag hinein.
Der Krankheitsverlauf nahm eine Wendung und die Person ueberlebte wie
durch ein Wunder. Die drei dankbaren Gaeste verabschiedeten sich mit
Gefuehlen der Dankbarkeit gegenueber dieser bemerkenswerten Heilerin.
Lily fuehlte Befriedigung darueber, dass sie den Wuenschen des Geistes
gedient hatte, obwohl sie sich selbst energetisch stark ueberbeansprucht
hatte.
Und dann stand sie vor "der Mauer". Jeder Heiler, der irgendwann
einmal waehrend einer Sitzung zu viel von sich selbst gegeben hat, weiss,
was "die Mauer" bedeutet. Es ist eine energetische Blockade,
die das Nervensystem beeinflusst. Ihr Koerper schmerzte. Sie fuehlte
sich schwach und fiebrig. Sie irrte ein paar Tage lang zwischen den
Welten umher, zu schwach, um aus dem Bett zu steigen, sie konnte noch
nicht einmal etwas zu essen zu sich nehmen. Waehrend dieser inneren
Reise hatte sie eine Begegnung mit sich selbst. Sie wusste ploetzlich,
dass, wenn sie nichts an ihrer Art zu arbeiten aendern wuerde, ihr Dienst
an der Menschheit sie selbst umbringen wuerde.
Die einfache Wahrheit an dem Ganzen war, dass Lily nicht nein sagen
konnte. Sie fuehlte, dass jeder, der an ihrer Tuerschwelle erschien,
"von Spirit gesandt" worden war, und dass von ihr erwartet
wurde, mit demjenigen zu arbeiten. Es war egal, ob es Tag oder Nacht
war. Und die Beduerfnisse dieser Fremden kamen sogar vor den Beduerfnissen
ihrer eigenen Kinder. Lily's Kinder hatten Empoerung darueber geaeussert,
aber Lily schrieb diese Aeusserungen einfach der laestigen Tatsache
zu, dass sie Teenager waren.
Ich fragte sie, wie ihre Kindheit ausgesehen hatte. "Was hat das
denn damit zu tun?" fragte sie. Sie mistraute Therapeuten und deren
Ueberbetonung der Vergangenheit.
"Nun, so befremdlich wie das klingen mag, ich habe herausgefunden,
dass Themen aus der Kindheit des oefteren verschleiert im spaeteren
Leben wieder auftauchen."
"Ich habe diesen Stoff bis zum Abwinken durchgekaut", sagte
sie.
"Bitte tun Sie mir kurz den Gefallen, ich verspreche, wir werden
uns nicht lange dort aufhalten. Ich brauche nur einen kurzen Einblick
in die Familie."
Lily erzaehlte mir daraufhin recht sachlich, dass ihre Mutter gestorben
war, als sie neun Jahre alt war. Sie war die aelteste von sieben Geschwistern
und uebernahm schnell die Mutterrolle fuer ihre juengeren Brueder und
Schwestern. Wenn jene krank waren, blieb sie die Nacht ueber wach, um
fuer sie zu sorgen. Zu diesem Zeitpunkt entdeckte Lily ihre heilerischen
Faehigkeiten. Sie hatte keine Ahnung davon, wie sie es tat, aber sie
konnte jemandem, der sich krank fuehlte, ihre Haende auflegen und damit
bewirken, dass er sich besser fuehlte.
"So Lily, ………… fuehlen Sie sich schuldig ob der Tatsache,
dass Ihre Mutter starb?"
"Was meinen Sie damit?" fragte sie in einem herausfordernden
Tonfall.
"Nun, es scheint mir, dass, wenn Sie ihre heilerischen Faehigkeiten
entdeckt haben, nachdem Ihre Mutter gestorben war, da vielleicht ein
Bedauern sein koennte, diese Faehigkeiten nicht frueher entdeckt zu
haben, was Sie eventuell in die Lage gebracht haette, Ihrer Mutter zu
helfen."
"Aber ich war neun Jahre alt, als sie starb!" Da war unmissverstaendlicher
Aerger in Lily's Stimme.
"Ich weiss …….., ich weiss. Es gab nichts, was Sie haetten
tun koennen." Ich hielt inne, um meine letzten Worte einsinken
zu lassen.
Lily begann zu schluchzen, und die angestauten Emotionen von ueber dreissig
Jahren Kummer und Leid begannen, sie zu verlassen.
Nach ein paar Minuten redeten wir weiter. Es wurde deutlich, dass Lily
von dem ungesehenen Kummer ueber den Verlust ihrer Mutter angetrieben
wurde. Weil sie sich ihren eigenen emotionalen Schmerz um dieses Thema
nicht zu eigen machen oder ihn ueberhaupt bemerken konnte, projektierte
sie ihn auf die Leute, die bei ihr Heilung suchten.
Sie war daran gewoehnt, sich um andere zu kuemmern. Sie hatte damit
ja sehr jung begonnen. Und sie war gut in dem, was sie tat. Es stand
ausser Frage, dass Lily Hunderten von Menschen geholfen hatte.
Aber sie hatte sich selbst vernachlaessigt. Durch das Ueber-Fokussieren
auf die Beduerfnisse anderer, hatte sie den Kontakt zu ihren eigenen
Beduerfnissen verloren – selbst zu dem einfachen Beduerfnis, sich Zeit
zum Ausspannen zu goennen.
Die Situation war umso verzweifelter ob Lily's immenser spiritueller
Entwicklung. Ja, so seltsam, wie es klingen mag, spirituelle Entwicklung
bringt nicht notwendigerweise psychologisches oder physisches Wohlbefinden.
Sie hatte ein tiefes Empfinden fuer andere Wesen und einen tiefverwurzelten
Wunsch, ihnen zu helfen. Aber sie schloss sich selbst nicht mit ein.
Wenn jemand litt, dann gingen in ihrem Denken dessen Beduerfnisse weit
ueber ihre eigenen Beduerfnisse hinaus, sogar ueber die Beduerfnisse
ihrer eigenen Kinder.
Nun, das funktioniert einfach nicht in der Welt der verkoerperten Wesen.
Als menschliche Tiere haben wir authentische Beduerfnisse, die befriedigt
werden muessen. Wenn wir das nicht tun, dann muessen wir einen Preis
dafuer bezahlen, entweder in physischem und/oder mentalem Unbehagen.
Lily hatte sich nicht um ihre eigenen Beduerfnisse gekuemmert, und sie
zahlte dafuer. Sie war ein Opfer des Krebses auf emotionaler Ebene geworden.
Krebs tritt auf, wenn Zellen sich ausser Kontrolle zu vermehren beginnen.
Ungesehen koennen sie eventuell gesunde Zellen abtoeten und eventuell
sogar ihren Gastgeber toeten.
Emotionaler Krebs funktioniert auf sehr aehnliche Art und Weise. Ein
ungesehenes emotionales Muster beginnt zu wuchern. In diesem Fall hier
war Lily's Muster das Sorge tragen fuer andere, um dadurch zu vermeiden,
dass sie den Schmerz um den Tod ihrer Mutter fuehlen musste. Das Problem
bestand nicht in der Tatsache, dass sie eine Heilerin war. Das Problem
war, dass sie nicht sehen konnte, wann es nicht fuer sie angebracht
war, Ueberstunden zu machen.
Aber unter dem Zugriff des emotionalen Krebses gestand sie sich nicht
das Recht ein oder die Erlaubnis zu, sich um sich selbst zu kuemmern
im Angesicht von den Beduerfnissen anderer. Dies zu tun waere ihr "egoistisch"
erschienen. Nicht nur das, sich fuer sich selbst Zeit zu nehmen, waehrend
andere litten, haette sie von Angesicht zu Angesicht mit den unerloesten
Gefuehlen rund um den Tod ihrer Mutter gebracht.
Das ganze wurde noch komplizierter dadurch, dass Lily an den spirituellen
Dienst durch Selbstverleugnung glaubte. Das ist eine alte Vorstellung,
die mit uns hier auf der Erde fuer eine lange, lange Zeit verankert
war. Und Lily hatte das als einen Teil ihrer Spiritualitaet akzeptiert.
Angemerkt sei hier, dass ich persoenlich glaube, dass es Zeiten gibt,
in denen Selbstverleugnung eine noble Handlung sein kann, aber chronische
unbewusste Selbstverleugnung ist ganz einfach dumm.
Sowie Lily nach einer Moeglichkeit suchte, um ihre neu gefundenen Einsichten
in ihr Dilemma als Heilerin zu integrieren, musste sie zu einem gereifteren
Verstaendnis ihrer eigenen Beduerfnisse im Verhaeltnis zu den Beduerfnissen
anderer kommen.
Sollte sie es nicht schaffen, ihre eigenen Beduerfnisse in ihre Sichtweise
von sich und der Welt zu integrieren, dann koennte ihr emotionaler Krebs
sie eventuell toeten. Nun, seien wir klar hier – emotionale Muster bringen
niemanden direkt um. Aber sie fuehren zu Verhaltensmustern, die selbst-destruktiv
sind. Wenn Lily nicht damit beginnen wuerde, sich Auszeiten zu nehmen,
wurde sie ausbrennen, oder schlimmer noch, einen Vertrag mit irgendeiner
Art von Krankheit unterschreiben.
In manchen Faellen fuehrt Krebs auf der emotionalen Ebene tatsaechlich
zu Krebs auf der physischen Ebene. Bis vor kurzem wurden die Mechanismen
nicht verstanden, die die Umwandlung einer Emotion in eine Krankheit
veranlassten. Aber durch die Arbeit von Dr. Candace Pert und das Konzept
der Neoropeptide wurde dieses Geheimnis erklaert.
Gemaess dieser neuesten Neuropeptiden-Theorie interagieren diese hoch
aktiven biochemischen Aktivatoren mit Rezeptoren an der Oberflaeche
der Zellwand. Laut Dr. Pert werden unterdrueckte Emotionen im Koerper
mit Hilfe der Neuropeptide gespeichert, und Erinnerungen werden in Neuropeptid-Rezeptoren
gespeichert.
Koerper-orientierte Therapeuten haben seit langem beobachtet, dass der
Koerper Erinnerungen haelt. Und dieser Typ von Erinnerungen kann auf
Jahre hin gespeichert werden.
Ich erinnere mich an die Demonstration einer Hypnose Technik auf einem
professionellen Training vor einigen Jahren. Als ich vorschlug, dass
die junge Frau auf eine fruehere Altersstufe zurueckgehen sollte, begann
sie zu weinen. Als sie zurueckkam, fragte ich sie, was passiert war.
Sie sagte, dass sie sich ploetzlich in das Alter von sieben oder acht
Jahren zurueckversetzt fuehlte. Sie spielte Softball und erhielt einen
Schlag ins Gesicht durch einen Schlaeger. Ihr Vater war der Trainer
dieser Mannschaft und sie erinnerte sich, nicht geweint zu haben, nachdem
sie diesen Schlag erhalten hatte. Auf dem Weg nach hause sagte der Vater
zu ihr, dass er stolz darauf gewesen waere, dass sie nicht geweint haette.
Waehrend des kurzen Hypnosezustandes erlebte sie den physischen Schmerz
des Geschlagen-Worden-Seins genauso, als ob sie wieder geschlagen worden
waere. Der Schmerz wurde nicht erinnert, wie Sie vielleicht denken,
sondern tatsaechlich physisch erlebt!
Und nicht nur das, sondern auch noch die Tatsache, dass ihr Vater lieber
einen Jungen gehabt haette als ein Maedchen, kam ihr aeusserst schmerzlich
ins Bewusstsein. Sie hatte versucht, den Erwartungen ihres Vaters ihr
ganzes Leben lang zu entsprechen.
Ich war in meiner therapeutischen Praxis in der Gegenwart von Hunderten
von Menschen, die vergangenen Schmerz wiedererlebten. Und auf der Basis
dieser ueber zwanzig-jaehrigen Beobachtung wuerde ich sagen, dass die
Theorie des Dr. Pert oder zumindest ein Teil davon genau den Punkt trifft.
Obwohl die meisten Menschen nicht besonders an Biochemie interessiert
sind, oder an den Mechanismen, die hinter Krankheiten stehen, sind sie
doch daran interessiert, gesund zu bleiben.
Ich habe diesen Artikel Krebs auf der emotionalen Ebene genannt, weil
ich glaube, dass giftige Emotionen sich tatsaechlich in Krankheiten
verwandeln. Nun, lassen Sie mich hier wieder sehr klar sein – ich glaube
nicht, dass alle Krankheiten von nicht-integrierten negativen Emotionen
ausgeloest werden. Einige von ihnen basieren unzweifelhaft auf der physischen
Ebene. Aber einige von ihnen koennen zurueckverfolgt werden zu bestehenden
Gefuehlsmustern, und das ist nirgends klarer als bei physischen Formen
von Krebs.
Die Psychologie des Krebses
Sowie mehr Studien ueber die Psychologie von Krebspatienten veroeffentlicht
werden, beginnen einige faszinierende Tendenzen hervorzutreten.
Zunaechst wurde von einer Reihe von Psychologen beobachtet, dass Frauen
mit Brustkrebs oft das Thema Selbstverleugnung als Teil ihres psychischen
Lebens haben. Ebenso haben sie oft das Gefuehl, sie haetten kein Anrecht
auf ihre eigenen Beduerfnisse. Sie kuemmern sich um die Beduerfnisse
der anderen um sie herum, lange bevor sie Sorge fuer ihre eigenen Beduerfnisse
tragen. Ihre eigenen Beduerfnisse wurden sozusagen auf die "hintere
Herdplatte" geschoben. Und viele Krebspatienten stellen sich selbst
in den Schatten und versuchen immer "nett" zu sein, egal wie
die Situation ist.
Nun, die Basisfunktion des Immunsystems ist es, zwischen "Selbst"
und "Nicht-Selbst" zu unterscheiden. Und das geschieht durch
eine vielfaeltige Anzahl an Prozessen, die Rezeptoren an der Oberflaeche
der Zellwaende miteingeschlossen.
Falls ein fremdes Objekt in den Koerper eindringt, sagen wir ein Virus
oder Bakterien, sendet das Immunsystem eine Schar an spezialisierten
Zellen, etwa wie die T-Killer-Zellen, Mikrophagen, usw., an den Ort
der Invasion. Diese Mikro-Krieger schliessen die Eindringlinge ganz
einfach ein und zerstoeren sie.
Nun, ich glaube, dass unsere emotionalen Selbste aehnliche Prozesse
haben wie unser Immunsystem. Die Funktion von emotionaler Immunitaet
ist es ebenfalls zu unterscheiden zwischen Selbst und Nicht-Selbst.
Wenn jemand giftig oder missbrauchend uns gegenueber ist, dann trennt
uns unsere emotionale Immunitaet von demjenigen. Wir haben einen Sinn
fuer gesunde psychologische Autonomie. Da gibt es die Erkenntnis, dass
wir separate Wesen sind, und dass wir nicht dazu verpflichtet sind,
den Missbrauch von jemandem hinzunehmen.
Aber dies wird nur im Falle eines gesunden Immunsystems eintreten. Wenn
es beschaedigt wurde, werden wir Missbrauch oder Manipulation von anderen
akzeptieren. In einem solchen Fall gibt es kein innewohnendes Gefuehl
von psychischer Autonomie, und wir fuehlen, wir haetten keine andere
Wahl ausser der, den Misbrauch hinzunehmen.
Nun, Missbrauch kann viele Formen annehmen. Physischer Missbrauch ist
offensichtlich, aber mentaler oder emotionaler Missbrauch kann oft schwieriger
zu sehen sein. Aber die giftigen Elemente des Missbrauchs, ob physisch,
mental oder emotional, sind sich darin aehnlich, dass alle die emotionale
Immunitaet zerstoeren.
Johanna (nicht ihr richtiger Name) war von ihrem Vater sexuell missbraucht
worden, der ironischerweise ein Priester war. Er hatte eine hochangesehene
Stellung in einer grossen Kirchengemeinde und lebte, wie es schien,
zwei Leben. Obwohl der physische Missbrauch aufhoerte, als Johanna ungefaehr
zwoelf Jahre alt war, dauerte der emotionale Missbrauch fort. Ihr anmassender
Vater kontrollierte jeden ihrer Schritte und setzte alle ihre Leistungen
herab.
Nach ihrer eigenen Einschaetzung war Johanna die perfekte Priester-Tochter.
Sie laechelte immer und hatte immer ein troestendes Wort bereit fuer
die, die sich nicht wohl fuehlten. Wenn ihre Eltern nicht zu Hause waren,
dann kuemmerte sie sich haeufig um Gemeindemitglieder, die kamen, um
Trost zu suchen.
Waehrend ihrer Gymnasial- und Studienzeit war sie aeusserst beliebt
bei ihren vielen Freunden. Aber irgendetwas fehlte. Sie war von ihren
eigenen Gefuehlen abgeschnitten, und obwohl sie wusste, was in einer
gesellschaftlichen Situation von ihr erwartet wurde, hatte sie keine
Ahnung, was sie tun sollte, wenn sie alleine war. Sie war ihres Gefuehles
fuer sich selbst beraubt worden, und nicht einmal ihre Mitgliedschaft
in der besten Studentenverbindung konnte das veraendern.
Waehrend ihrer Studienzeit hatte sie zwei un-gewollte aussereheliche
Schwangerschaften. Sie trieb das erste Kind zum Entsetzen ihrer Eltern
ab. Als sie wieder schwanger wurde, entschloss sie sich, das Kind zu
behalten. Zurueckblickend auf diese Entscheidung sagte Johanna mir,
dass sie ganz einfach die Verurteilungen ihrer Eltern kein zeites Mal
ertragen haette.
Soweit wie irgendjemand von aussen das beurteilen konnte, lebte Johanna
ein glueckliches Leben. Sie heiratete und bekam ein weiteres Kind. Die
Dinge liefen gut – zumindest an der Oberflaeche. Dann, nachdem Johanna
vierzig geworden war, hatte sie eine Reihe von Traeumen. Diese verfolgten
sie ueber beinahe drei Jahre, in variierenden Abstufungen und verschiedenen
Oertlichkeiten, aber immer mit dem gleichen Thema.
Eine schwarze Frau verfolgte sie. Die pechschwarze Frau hatte eine Hautfarbe
wie Teer oder die dunkelste Nacht. Sie war angsterregend und oft fletschte
sie ihre Zaehne und gab zischende Laute von sich. Sie sagte immer das
gleiche: "Veraendere Dich, oder ich werde Dich umbringen!"
Nach ungefaehr drei Jahren hoerten diese Traeume auf. Johanna hatte
nach ihrem eigenen Empfinden sich nicht viel veraendert. Und dann, nochmals
zwei Jahre spaeter, wurde bei ihr Brustkrebs diagnostiziert.
Die schwarze Frau war eine Botschafterin aus ihrem Inneren, die Johanna
missachtet hatte. Ein Teil von ihr, der authentische Teil von Johanna,
war wuetend. Darum hatte diese dunkle Figur ihre Zaehne gefletscht und
wie eine Schlange gezischt. Die Botschafterin aus ihrem Unterbewusstsein
hatte einen Notruf gesendet. Etwas musste sich veraendern, oder das
Leben wuerde keine Erlaubnis mehr haben, fortzudauern. Das "etwas",
das sich veraendern musste, war Johanna's Art, mehr fuer andere zu leben
als fuer sich selbst.
Johanna unterlag schliesslich dieser Krankheit trotz nachhaltiger medizinischer
Versuche, diese zu stoppen.
Ich erwaehnte diesen Fall, weil dieses Beispiel deutlich aufzeigt, was
ich emotionalen Krebs nenne, und welchen Tribut er einfordern kann.
Johanna's Sinn fuer sich selbst war durch ihren Vater angegriffen worden,
und ihre psychische Immunitaet war verletzt. Auf einer tiefen emotionalen
Ebene hatte sie das Gefuehl, keine anderen Entscheidungen treffen zu
duerfen als die Leute um sie herum. Und als dieser emotionale Krebs
sich ausbreitete, fuehlte sie sich zunehmend ohnmaechtig. Ihre Beziehungen
fuehlten sich mehr und mehr wie Spinnennetze an. Da sie sehr feinfuehlig
war, berichtete Johanna, dass sie oft die Wuensche ihrer Mitmenschen
spueren konnte. Sie vermied Menschenansammlungen; die widerspruechlichen
Wuensche waren ihr einfach zuviel.
Es war eine Ironie des Schicksals, dass Johanna Krebs in der Brust entwickelte.
Sie sagte mir, dass sich ueber die Jahre hin ein Gefuehl in ihr entwickelt
hatte, als waere sie eine unabsichtliche Mutter fuer die Welt.
Johanna war nicht dazu in der Lage, herauszufinden, wie sie ihren Sinn
fuer ihr Selbst wieder in Anspruch nehmen konnte und das Leben, das
dieses mit sich bringen wuerde. Sie konnte ihre innere Welt nicht veraendern,
und die dunkle Figur aus ihrem Unterbewusstsein kam sie zu holen.
Vom Krebs geheilt werden
Ein Thema, das allen gemeinsam ist, die von einer so einschneidenden
Krankheit wie Krebs gesundeten, ist die Verlagerung der Aufmerksamkeit
von den Beduerfnissen anderer zu ihren eigenen. Solch eine starke Wendung
in der psychologischen Orientierung setzt offensichtlich eine enorme
Heilenergie frei. Vielleicht stimulieren solche Veraenderungen die Freisetzung
von heilenden Neuropeptiden. Aber wie auch immer der physiologische
Mechanismus aussehen mag, das Fokussieren auf die authentischen Beduerfnisse
seines eigenen Selbstes ist schon heilend.
Ich habe eine Freundin, die das vor vielen Jahren selbst erlebte. Bei
ihr wurde Krebs im Endstadium diagnostiziert, und ihr wurde geraten,
ihre Angelegenheiten in Ordnung zu bringen. Sie ging heim und erklaerte
ihrer erstaunten Familie, dass sie sie verlassen wuerde. Sie sagte,
da ihr Leben enden wuerde, wuerde sie das tun, was sie schon immer tun
wollte – naemlich Japan besuchen. Sie flog nach Tokio und hatte eine
so gute Zeit in Japan und auf ihrer Asienreise, dass der Krebs sich
zurueck bildete!
Emotionale Immunitaet aufbauen
Es ist ziemlich bekannt, dass wir unser physisches Immunsystem durch
Veraenderungen in unserem Lebensstil staerken koennen. Aber es ist wenig
bekannt, dass wir unser emotionales Immunsystem auch staerken koennen.
Der erste Schritt beginnt mit dem Erkennen, ob jemand unter einem schwachen
emotionalen Immunsystem leidet. Ein gesundes emotionales Immunsystem
basiert auf der Faehigkeit, seine eigenen authentischen Beduerfnisse
(im Gegensatz zu dem Verlangen) zu bemerken, und sich die Erlaubnis
zu geben, sich darum zu kuemmern. Das beinhaltet auch, einen klaren
Sinn fuer sein Selbst als ein autonomes Wesen zu haben, das getrennt
von anderen existiert.
Nun, das ergibt manchmal Probleme fuer Leute auf einem spirituellen
Pfad. Denn auf einer Herzebene erfahren wir uns alle als Einheit. Wir
sehen, dass es ein Leben gibt, ein Bewusstsein, das durch eine Vielzahl
an Formen lebt. Da gibt es ein natuerliches Gefuehl der Verbundenheit
mit anderen, wenn der Herzraum aktiviert ist. Und vom Standpunkt eines
hoeheren Bewusstseins aus, gibt es nichts, das jemals getrennt von etwas
anderem existiert.
Und waehrend das wahr ist, ist es auch wahr, dass wir Koerper haben,
die getrennt von den Koerpern anderer Menschen sind. Und die unserer
Biologie innewohnende Weisheit verlangt, dass wir diese Verschiedenheit
anerkennen. Tun wir das nicht, dann werden wir krank. Unsere Immunsysteme
folgen diesem unwiderruflichen Naturgesetz.
Unsere emotionalen Immunsysteme folgen ebenfalls diesem Gesetz. Wenn
wir uns nicht der psychologischen giftigen Elemente bewusst werden und
sie vermeiden, dann werden wir krank werden, entweder auf physischer
oder emotionaler Ebene.
Ich hoffe, dass es soweit klar geworden ist, dass emotionaler Krebs
dadurch entsteht, dass bei jemandem der Sinn fuer das Selbst stark verletzt
wird. Das geschieht gewoehnlich durch eine Form von Missbrauch. Und
waehrend physischer, sexueller und emotionaler Missbrauch ziemlich deutlich
wahrgenommen werden, gibt es eine Form von Missbrauch, die oft ungesehen
unterschluepft. Ich nenne das spirituellen Missbrauch.
In seiner einfachsten Form fuehrt spiritueller Missbrauch einen dazu,
sein Selbst zu vergessen. Seine eigenen Beduerfnisse werden verdraengt
von einem Ideal, das als weit erhabender angesehen wird als seine ureigenen
Beduerfnisse. Diese Art von spirituellem Raubbau zeigt sich in tausend
Gesichtern, und keine spirituelle Linie ist immun dagegen. Wenn Du selbst
einer Gruppe oder einer Lehre angehoerst, die den Wert der Gefuehle
herabsetzt und/oder Deine Beduefnisse nicht achtet, dann schlage ich
vor, dass "Du um Gottes willen da raus kommst!"
Mein Grund dafuer ist, dass das Wort "heilig" seiner Wurzel
nach "ganz werden" bedeutet. Das, was unsere Ganzheit anwachsen
laesst, ist heilig, und das, was unsere Ganzheit verringert, ist profan.
Die Aufgabe, sich selbst wieder-zu-erinnern durch die Kultivierung seiner
emotionalen Aufmerksamkeit ist heilige Arbeit.
Letztendlich ist der Weg dazu, unsere emotionale Immunitaet zu schuetzen,
der, unseren Beduerfnissen Aufmerksamkeit zu schenken. Erstens muessen
wir uns die Erlaubnis geben, zu realisieren, dass wir sie ueberhaupt
haben. Und zweitens muessen wir einen Weg finden, unsere Beduerfnisse
in die zahllosen Ansprueche, die unser taegliches Leben an uns stellt,
zu integrieren. Das ist keine geringe Aufgabe, besonders in einer Gesellschaft,
die so verdammt darauf aus ist, Selbst-Gewahrsein zu vermeiden.
Da kann ein enormer gesellschaftlicher Druck auf einen ausgeuebt werden,
unbewusst ueber seine authentischen Beduerfnisse und Gefuehle zu bleiben,
besonders in "spirituellen Gemeinschaften". Ich habe zum Beispiel
herausgefunden, das die, denen ihre eigenen Beduerfnisse und Gefuehle
unbequem sind, oft auch ein Problem mit den Beduerfnissen und Gefuehlen
von anderen Leuten haben.
Was machst Du mit Deinen Gefuehlen, wenn sie entgegengesetzt sind von
denen, die Dich umgeben? Was machst Du, wenn Deine Beduerfnisse sich
von denen unterscheiden, die Dich umgeben? Das sind grundlegende Fragen,
und die Art, wie Du sie beantwortest, hat eine entscheidende Wirkung
auf Deine "emotionale Immunitaet".
Fuer die, die sich der heiligen Arbeit verschreiben, das Selbst wieder-zu-erinnern,
gibt es keinen anderen Weg. Man muss die Mittel finden, ehrlich mit
seinen eigenen Beduerfnissen umzugehen und diese zu befriedigen, waehrend
man in einer Welt lebt, die nicht zu Selbst-Gewahrsein und Ehrlichkeit
ermutigt.
Das ist eine schwierige Aufgabe, aber es ist eines der besten Spiele
aller Zeiten.
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Copyright 2003 Tom Kenyon
Es duerfen Kopien angefertigt werden, wenn am Text nichts geaendert,
hinzugefuegt oder weggelassen wird.
Uebersetzt aus dem Englischen von Gisa Feder